Kollaboratives Projektmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
19. Juni 2024 | 5 Min.
In zahlreichen Branchen findet die Wertschöpfung vermehrt in Netzwerken statt. Diese verteilte Wertschöpfung muss auf Transparenz, Kommunikation und Vertrauen basieren – was im Projektmanagement immense Herausforderungen mit sich bringt. Wie diese gemeistert werden können, verrät dieser Artikel.
Führende Unternehmen haben längst erkannt, dass es nicht mehr ausreicht, nur das unternehmensinterne Prozess- und Projektmanagement auf ein exzellentes Level zu heben. Schließlich findet inzwischen mehr als zwei Drittel der Wertschöpfung in sogenannten Wertschöpfungsnetzwerken statt. Grund genug, die unternehmensübergreifenden Projekte und Prozesse genau zu analysieren und die Lieferanten sowie deren Sublieferanten in ein kollaboratives Wertschöpfungsnetzwerk einzubinden.
Was ist ein Wertschöpfungsnetzwerk?
In einer Wertschöpfungskette sind die einzelnen Tätigkeiten aufgeführt, durch die ein Produkt entworfen, hergestellt, vertrieben, ausgeliefert und unterstützt werden. Die einzelnen Schritte werden dabei als eine Reihung von Aktivitäten dargestellt, die in Prozessen miteinander verbunden sind. Bei komplexen Produkten entstehen so schnell größere Geflechte an Zulieferern und Dienstleistern, sogenannte Produktionsnetzwerke.
Davon unterscheiden sich Wertschöpfungsnetzwerke in vielerlei Hinsicht: Unternehmen eines Wertschöpfungsnetzwerkes arbeiten kollaborativ zusammen. Bei ihrer Zusammenarbeit handelt es sich um eine konkrete, zweckgerichtete und strategische Kooperation. Dabei verfolgen alle Partner ein gemeinsames Ziel, wozu jede Organisation ihre Kernkompetenzen einbringt. Auch wenn es klar definierte Ziele und Vorgaben gibt, bleibt jedes Unternehmen eigenständig und arbeitet eigenverantwortlich. Die Zusammenarbeit verläuft folglich im Wesentlichen dezentral. Unterstützt wird diese Form von Kollaboration von modernen IT-Systemen, die dafür sorgen, dass Informationen einfach, kontrolliert und verlässlich – auch über Unternehmensgrenzen hinweg – ausgetauscht werden können.
Wo entstehen Wertschöpfungsnetzwerke?
Wertschöpfungsnetzwerke sind vor allem dort anzutreffen, wo es darum geht, Synergien zwischen Spezialisten zu realisieren, eine hohe Produkt- und Servicequalität zu bieten sowie Zeit und Kosten einzusparen. Hier sind zuerst die Automobilindustrie sowie die Luft- und Raumfahrt, das Logistik- und Transportwesen oder die Pharmaindustrie zu nennen. Inzwischen können in fast allen Industrien und Bereichen Wertschöpfungsnetzwerke angetroffen werden. Angesichts knapper Terminplanungen werden zentrale Leistungen von externen Dienstleistern erbracht, die in die jeweiligen Kooperationsprojekte wie Innovations-, Produktentwicklungs- oder Transformationsprojekte integriert werden müssen.
Projektmanagement im Wertschöpfungsnetzwerk
Auch wenn alle Beteiligten innerhalb eines Wertschöpfungsnetzwerkes ein gemeinsames Ziel verfolgen, bleiben sie eigenständig. Für das Projektmanagement impliziert dies gewisse Herausforderungen:
- Komplexität:
Initiativen wie Produktentwicklungen oder Innovationsprojekte sind per se umfangreich und komplex. Dadurch, dass mehrere Partner bei dem Vorhaben mitwirken, wird das Projekt noch komplexer und die Abstimmung in der Regel aufwendig. - Kommunikation:
Eine umfassende und umsichtige Kommunikation ist eine grundsätzliche Voraussetzung für ein erfolgreiches Projektmanagement. Dies gilt in besonderem Maße bei unternehmensübergreifenden Projekten. Hier sind nicht nur unterschiedliche Informationssysteme und Standards zu berücksichtigen, sondern häufig auch Sprachen und kulturelle Gepflogenheiten. - Steuerung:
Ebenso wie bei der Kommunikation ist die Steuerung von Projekten, die die Unternehmensgrenzen überschreiten, fordernd und bisweilen anstrengend. Überdies bleiben die Partner des Wertschöpfungsnetzwerkes auch innerhalb des gemeinsamen Vorhabens autonom, was die Steuerung schwierig gestalten kann. - Methodenkombination:
Da jedes Unternehmen des Wertschöpfungsnetzwerkes autonom agiert, werden häufig unterschiedliche Vorgehensweisen verwendet. Abhängig vom Projektinhalt und dem Reifegrad des Unternehmens kommen so unterschiedliche Methoden zum Einsatz – egal ob agil, klassisch oder hybrid. - Transparenz:
Da die Parteien des Netzwerkes autonom bleiben und selbst entscheiden, welche Informationen sie welchen Partnern wann zur Verfügung stellen, herrscht häufig ein uneinheitlicher, manchmal auch mangelhafter Grad an Transparenz. - Risikomanagement:
Verzögerungen, Qualitätsprobleme oder der Ausfall von einzelnen Lieferanten wirken sich auf das gesamte Netzwerk aus. Der Umgang mit diesen Risiken erfordert eine gute Vernetzung und Kooperation sowie Vertrauen unter den Partnern.
Kollaboratives Projektmanagement als neuer Standard in Wertschöpfungsnetzwerken
Kollaboratives Projektmanagement ist die Antwort auf die Herausforderungen der Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken. Methodisch setzt kollaboratives Projektmanagement auf
- Dezentralisierung und Delegation
- Vernetzung und Kommunikation
- Kollaboration
Dezentralisierung und Delegation
Um Komplexität beherrschbar zu machen und gleichzeitig die Projektplanung und -steuerung zu beschleunigen, werden im kollaboratives Projektmanagement komplexe Systeme in kleinere und greifbare Elemente geteilt; wo es notwendig und sinnvoll erscheint, wird ein Projekt in mehrere Ebenen untergliedert – vom Gesamtprojekt in Teilprojekte in Objekte und Gewerke bis zu Detailterminplänen. Wesentlich dabei ist, dass die Verantwortlichkeit in die jeweiligen Gliederungselemente delegiert wird. Dabei bleibt der Mensch im Mittelpunkt; er übernimmt die Verantwortung, nicht irgendein Projektmanagement-Tool mit seiner Algorithmik.
Vernetzung und Kommunikation
Gerade weil das gemeinsame Großprojekt in mehrere Teile mit mehreren Ebenen gegliedert wurde, ist es eine projekt- und planübergreifende Vernetzung unabdingbar. Das für alle Parteien vereinbarte Gesamtziel sowie die dafür notwendigen Rahmendaten bilden ein festes Gerüst für die Projektarbeit. Die Partner sollten dabei ein vertrauensvolles Verhältnis pflegen und offen sowie transparent miteinander kommunizieren. Dies betrifft insbesondere Abweichungen zu vereinbarten Terminen: Es ist eine Bringschuld, zentrale Informationen zu teilen und wichtige Änderungen umgehend mitzuteilen.
Kollaboration
Eine echte Kollaboration wird erreicht, indem wirklich alle Projektbeteiligte in das Netzwerk eingebunden sind: Je vollständiger alle Partner und Zulieferer integriert sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Vorhaben erfolgreich umgesetzt wird. Durch die Autonomie der einzelnen Partner ist es möglich, dass unterschiedliche Projektmanagement-Methoden von den einzelnen Mitgliedern angewendet und kombiniert werden. Das gemeinsame Ziel und die vereinbarten Rahmentermine sind für alle verpflichtend.
PPM-Plattform für kollaboratives Projektmanagement
Kollaboratives Projektmanagement ist die Antwort auf die Herausforderungen bei der Umsetzung komplexer Vorhaben in Wertschöpfungsnetzwerken. Die Anforderungen an eine Softwarelösung, die das kollaborative Projektmanagement unterstützt, sind dabei vielfältig:
Komplexität beherrschbar machen
Das Projekt muss in mehrere eigenständige Teilprojekte gegliedert werden können. Die Teilprojekte wiederum sollen möglichst in sich geschlossene Einheiten sein; so werden aus einem komplexen Großprojekt mehrere einfacher steuerbare Teilprojekte. Je größer und komplexer das gemeinsame Vorhaben ist und je mehr Partner daran beteiligt sind, desto sinnvoller ist es, Teilprojekte in mehrere einzelne Elemente zu strukturieren. So können mehrstufige Zulieferverhältnisse abgebildet werden. Ziel dabei ist es, Komplexität zu reduzieren, an deren Stelle einfache steuer- und kontrollierbare Projektabschnitte treten.
Planungsverbindlichkeit
Meilensteine bilden einen übergeordneten und vor allem verbindlichen Rahmen; sie repräsentieren eine bindende Terminplanung und beinhalten die gemeinsamen Ziele bzw. Etappenziele des Gesamtprojekts. Die einzelnen Teilprojekte sind direkt oder indirekt mit den Meilensteinen verknüpft. Konflikte in den Teilplänen, die die Meilensteine betreffen, macht das System umgehend sichtbar.
Delegation und Autonomie
Die Verantwortung für die einzelnen Teilprojekte, Projektabschnitte und Arbeitspaketen wird an die jeweiligen Experten delegiert. Die Partner übernehmen entsprechend die Verantwortung für ihre Umfänge. Das heißt auch, dass sie die Hoheit über ihre Planung und ihre Daten haben. Die Plattform, die die Partner unterstützt, muss ein transparentes und flexibles Rechte- und Rollenmodell bieten, das dies abbildet.
Methoden-Vielfalt
Jeder Partner ist in der Wahl der Methoden für seinen Projektabschnitt frei – egal ob agil, klassisch oder hybrid, alle Projektmanagement-Methoden sind erlaubt und müssen im Umkehrschluss von der Plattform unterstützt und integriert werden.
Bedarfsgerechte Informationsaufbereitung
Verschiedene Organisationsebenen haben einen unterschiedlichen Bedarf an Informationen und Detaillierungsgrad. Daher sorgt eine bedarfsgerechte Informationsaufbereitung dafür, dass die richtigen Daten im richtigen Kontext verfügbar sind. Dies bedeutet auch, dass ein Reporting mit Echtzeitdaten möglich sein muss bzw. in Dashboards die Daten zu nützlichen Informationen verdichtet und aufbereitet zur Verfügung stehen. Je bedarfsgerechter die Ansichten sind, desto größer ihr Nutzen und die Anwenderakzeptanz.
Fazit
Ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung von Großunternehmen findet in gemeinsamen Netzwerken statt. Das unternehmensübergreifende Projektmanagement trifft dabei auf zahlreiche Herausforderungen, die es meistern muss. Ein kollaboratives Projektmanagement mit entsprechendem IT-System bietet den Partnern in Wertschöpfungsnetzwerken die passende methodische und praktische Unterstützung für eine effiziente und sichere Projektrealisierung. Kollaboratives Projektmanagement und Wertschöpfungsnetzwerke basieren dabei auf denselben Prinzipien Offenheit, Kollaboration, Autonomie, Transparenz und Vertrauen.
Über die Autorin
Monika Gomboc, Center of Excellence Kollaboratives Projektmanagement, cplace
Monika Gomboc verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung im Bereich Projekt- und Portfoliomanagement. Sie ist ausgesprochene Expertin für Kollaboratives Projektmanagement, welches sie bei zahlreichen DAX-Unternehmen eingeführt und etabliert hat. Die Diplom-Betriebswirtin leitet den cplace Standort Ludwigsburg und hat neben einer 25-jährigen internationalen Beraterkarriere, u. a. bei der Management- und IT-Beratung MHP auch direkte Industrieerfahrung bei weltmarktführenden Unternehmen gesammelt, u. a. bei Kärcher SE & Co. KG
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