Citizen Development – der Turbo für die digitale Transformation
28. Mai 2024 | 5 Min.
Beim Citizen Development wirken die Fachbereiche an der Entwicklung und Weiterentwicklung von Softwarelösungen aktiv mit. Das entlastet die IT und erhöht die fachliche Qualität der Anwendungen deutlich. Wie können Unternehmen diesen Effekt und weitere Vorteile von Citizen Development skalieren? Dreh- und Angelpunkt ist die Plattform, die dabei zum Einsatz kommt. Über welche Eigenschaften sollte sie verfügen? Und auf welche Punkte müssen Unternehmen darüber hinaus achten?
Die digitale Transformation von Unternehmen ist kein singuläres Ereignis, das wie ein Projekt irgendwann abgeschlossen ist. Sie ist zu einem festen Bestandteil des Unternehmensalltags geworden. In vielen Organisationen liegt die Hauptverantwortung für die digitale Transformation bei der IT-Abteilung, was angesichts des vorherrschenden Fachkräftemangels und der großen Zahl an Digitalisierungsinitiativen problematisch ist: Viele Vorhaben müssen verschoben werden oder ziehen sich in die Länge, weil die IT-Abteilung nicht über ausreichend Kapazitäten verfügt. Dies gefährdet letztlich den Erfolg des Unternehmens und somit seinen Bestand.
Citizen Development – Digitalisierung auf viele Schultern verteilen
Die IT-Abteilung entlasten, die Qualität von Business-Software verbessern und gleichzeitig die User-Akzeptanz erhöhen – dies ist mit Citizen Development möglich. Beim Citizen Development erstellen, modifizieren und erweitern IT-affine Personen, die meist über keine Programmierkenntnisse verfügen, Softwarelösungen. Auf entsprechende Plattformen finden Citizen Developer vorgefertigte Module nach dem Baukastenprinzip vor, mit denen sie bestehende Anwendungen mit wenigen Klicks ihren Wünschen gemäß anpassen oder ganze Applikationen eigenständig zusammenstellen können. So sorgt Citizen Development dafür, dass sehr viele Fachbereiche und Personen an der Realisierung der Digitalisierungsinitiativen beteiligt werden, was die Lasten gleichmäßiger im Unternehmen verteilt. Dies verleiht gleichzeitig den Digitalisierungsanstrengungen der Organisation einen zusätzlichen Schub.
Größere Nutzerakzeptanz dank Citizen Development
Dadurch, dass die jeweiligen Fachabteilungen operativ an der (Weiter)Entwicklung ihrer Softwarelösung mitwirken, entsteht ein weiterer Nutzen für das Unternehmen: Die Anwenderakzeptanz nimmt zu. Da die Mitarbeitenden der einzelnen Fachbereiche eigenständig zumindest Teile ihrer Lösung selbst gestalten – sie kreieren Oberflächen nach ihren Wünschen, sie können sinnvolle Funktionalitäten hinzufügen, Datenmodelle anpassen sowie Verbindungen zu benötigten Informationen herstellen –, reichern sie die Anwendungen mit ihrer Expertise an, was die inhaltlich-fachliche Qualität der Apps steigert. Je nach Plattform ist diese Lösung sogar mit wenigen Klicks live verfügbar; auch für andere Abteilungen oder gar unternehmensweit, sofern dies sinnvoll ist. So können alle Mitarbeitenden von der Anwendung, die zuvor von den betroffenen Fachbereichen inhaltlich angepasst und verbessert wurde, profitieren.
Der Nutzen von Softwarelösungen steigt und fällt proportional zum Nutzungsgrad, ein Beispiel: Je mehr Mitarbeitende in einer Applikation zur Ressourcenplanung eingebunden sind, desto vollständiger und besser kann die Auslastungssituation in den Abteilungen, Bereichen und im Unternehmen insgesamt analysiert werden und der Ressourceneinsatz effektiv geplant werden. Die einzelnen Abteilungen und Teams haben die Oberfläche und das Funktionsspektrum der Lösung für die Ressourcenplanung für sich so angepasst, dass sie jeweils einen möglichst großen Nutzen daraus ziehen. Sie profitieren von dem Tool und nutzen es entsprechend intensiv. Gleichzeitig fließen die Informationen aller Teams und Abteilungen in eine zentrale Datenbank, was dem Unternehmen wertvolle Ausblicke bspw. auf künftige Bedarfe ermöglicht.
Skalierbarkeit von Citizen Development
Je mehr Fachbereiche am Citizen Development beteiligt sind, desto größer ist der Nutzen für das gesamte Unternehmen. Um Citizen Development erfolgreich skalieren zu können, sollten Organisationen folgende Punkte beachten:
Wahl einer zentralen Lösungsplattform
Bei der Plattform, die für das Citizen Development eingesetzt werden soll, handelt es sich idealerweise nicht um eine isolierte Entwicklungsplattform, sondern um eine Lösungsplattform, die vielfältige No- und Low-Code-Funktionalitäten bietet. Eine integrierte Lösungsplattform beinhaltet neben fertigen Einzelbausteine und Widgets auch sinnvoll zusammengesetzte Funktionselemente, die einfach modifiziert und erweitert werden können. Mit solchen sogenannten „Functional Building Blocks“ können ohne großen Aufwand Lösungen für komplexere Herausforderungen entwickelt werden.
Gemeinsame Datenbasis
Die Softwareplattform soll zudem eine zentrale Datenbasis schaffen, eine echte Single Source of Truth. Sie ist das gemeinsame Fundament aller weiteren Lösungen, die darauf entwickelt werden. Auf Basis solch einer zentralen Datenbasis können Citizen Developer bspw. Informationen intuitiv strukturieren, Datenmodelle gänzlich ohne Programmierkenntnisse definieren, User Interface-Komponenten auswählen und benutzerspezifische Dashboards für Ihre jeweiligen Geschäftsanforderungen erstellen.
Übergreifende Zusammenarbeit
In Unternehmen sind in den meisten Prozessen mehrere Abteilungen involviert. Entsprechend ist es ein Muss, dass die Plattform eine übergreifende Zusammenarbeit auch beim Citizen Development unterstützt. Wichtig dabei ist, dass ein feingranulares Berechtigungssystem die Zusammenarbeit so steuert, dass Datenschutz und IT-Compliance eingehalten werden.
Vielfalt auf definiertem Standard
Um ein einheitliches Corporate Design in den Anwendungen zu gewährleisten, sollte für die auf der Plattform hinterlegten Funktionsbausteine und Widgets ein Standard-Layout in Form von Vorlagen hinterlegt sein. Im Rahmen dieser vorgegebenen Templates können Citizen Developer ihren Arbeitsbereich samt User Interface frei gestalten.
Änderungen testen und veröffentlichen
Sobald Citizen Developer Modifikationen an einer bestehenden App vorgenommen oder neue Anwendungen erstellt haben, sollten sie in der Lage sein, die Neuerungen sofort im eigenen Arbeitsbereich zu sehen und zu testen. Hier wäre es sehr hinderlich, wenn dazu die Hilfe eines Programmierers notwendig wäre. Umgekehrt hat es sich in der Praxis als sinnvoll erwiesen, vor der abteilungs- oder unternehmensweiten Veröffentlichung die Anwendungen überprüfen zu lassen.
Training und Coaching für Citizen Developer
Auch wenn Citizen Developer über keine Programmierkenntnisse verfügen müssen, um Apps zu erstellen oder zu modifizieren, hat es sich bewährt, ihnen spezifische Weiterbildungen anzubieten. In Schulungen sollten sie methodisches Grundwissen ebenso wie tool-spezifische Kenntnisse erhalten, das dann in begleitenden Coachings vertieft werden kann.
Die Skalierbarkeit von Citizen Development hängt darüber hinaus von der Unternehmenskultur ab: Citizen Development muss zum integralen Bestandteil der Digitalisierungsstrategie werden. So können IT und Fachbereiche gemeinsam eine bessere Software-Umgebung erstellen, von der das ganze Unternehmen profitiert: Die IT wird entlastet und die Fachbereiche können schnell und einfach eigene Lösungen erstellen oder bestehende Tools auf spezielle Fachbereichsanforderungen hin optimieren.
IT-Governance auf Citizen Development ausweiten
Eine Herausforderung beim Citizen Development stellt die Orchestrierung dar. Der Ansatz darf nicht dazu führen, dass viele verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an beliebigen Stellen ohne Spielregeln irgendwelche Applikationen entwickeln. Sonst entstehen Insellandschaften und die Schatten-IT im Unternehmen wächst. Es ist also wichtig, sich auf gemeinsame Spielregeln zu einigen, sonst gerät der Prozess schnell an seine Grenzen.
Größerer Nutzen durch Skalierbarkeit
Unternehmen profitieren auf vielfältige Art und Weise von Citizen Development: Die Belastung der IT-Abteilung wird spürbar reduziert, gleichzeitig verbessert sich die inhaltliche Qualität der Softwarelösungen und die Anwenderakzeptanz für diese Applikation nimmt zu. Dieser Effekt kann auf das Unternehmen skaliert werden, wenn gewisse Spielregeln eingehalten werden und die gewählte Lösungsplattform über bestimmte Vorzüge verfügt. Darauf zahlen zielgerichtete Schulungen ein, in denen Citizen Developer die internen Prozesse bei der Entwicklung und Veröffentlichung von Applikationen kennenlernen, in die Grundprinzipien der Entwicklung eingeführt werden und lernen, die Besonderheiten der verwendeten Plattform zu nutzen.
Über den Autor
Bastian Rang, Senior Product & Solution Architect, cplace
Bastian Rang verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung als Lehrer, Coach und Trainer im IT-Umfeld sowie in der Entwicklung und Architektur von IT-Lösungen mit verschiedenen Technologien. Bei cplace ist er als Coach für Citizen Developer und als Solution Architect tätig. Sein Fokus liegt auf individuellen Enterprise-Lösungen mit Hilfe von No– und Low-Code.
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